Der Wald in der Region Basel leidet unter der Gülle – jetzt wollen die Waldeigentümer mit den Bauern reden
Gülle enthält Stickstoffverbindungen, und die schaden dem Wald, zusätzlich zur Trockenheit. Wald beider Basel startet deshalb eine Sensibilisierungskampagne. Das Ziel: Landwirte sollen weniger Stickstoff in der Luft verbreiten.
Der Wald leidet unter der zunehmenden Trockenheit, das ist in den vergangenen Sommern deutlich geworden. Folge ist Stress für die Bäume. Der Wald leidet aber seit Jahrzehnten auch unter einem anderen Phänomen: zu viel Stickstoff im Boden.
Die Verbindungen stammen zu zwei Dritteln aus der Landwirtschaft. Die Ausscheidungen der Tiere führen notgedrungen zu Stickstoffverbindungen, das Austragen von Gülle bringt diese verstärkt in die Luft. Ein kleinerer Teil des Stickstoffs stammt aus Verbrennungsprozessen in Industrie und Verkehr.
Unter diesen Ausscheidungen leidet der Wald mehr als die übrige natürlich Umwelt. «Die Baumkronen wirken wie ein Kamm, an dem die Stickstoffverbindungen aus der Luft hängen bleiben und durch den Regen in den Boden geschwemmt werden», erklärte gestern in Brislach Sven Hopf, Geschäftsleitungsmitglied des in Witterswil beheimateten Instituts für angewandte Pflanzenbiologie (IAP). Eingeladen hatte der Waldeigentümerverband Wald beider Basel zum jährlichen Waldspaziergang für die Medien.
Die Folge des vermehrten Stickstoffeintrags ist ein übersäuerter Waldboden – und das hat eine ganze Reihe von negativen Konsequenzen, die Hopf auflistete: Der Stickstoff bindet die Nährstoffe im Boden, die Bäume leiden unter Mangelernährung; die Bodenpilze, auf die viele Bäume angewiesen sind, gedeihen weniger zahlreich; die Wurzeln wachsen weniger weit in den Boden hinein, weshalb bei Stürmen vermehrt ein Ausreissen des Baumes droht.
Insgesamt bedeutet der saure Boden Stress für den Baum, zusätzlich zur Trockenheit – das macht ihn noch anfälliger für den Borkenkäfer, der sich gerne geschwächte Bäume aussucht; und weil sich stickstoffliebende Pflanzen im Wald ausbreiten, etwa Brombeeren oder Brennnesseln, ist die natürliche Erneuerung des Waldes gefährdet.
All dies konnte das IAP dank langjähriger Messreihen in der ganzen Schweiz feststellen. Der Nordwestschweizer Wald leidet überdurchschnittlich unter Stickstoffeinträgen, wohl auch, weil Milchwirtschaft hier stark verbreitet ist.
Einerseits bedeutet das für die hiesigen Waldeigentümer Mindererträge, wie Philipp Schoch, Präsident von Wald beider Basel, erläutert. «Wenn man das geringere Baumwachstum auf 100 Jahre extrapoliert, bedeutet das einen Riesenverlust.» Andererseits wage er sich nicht auszumalen, was ein unter zu viel Stickstoff leidender Wald langfristig fürs Klima bedeute.
Allerdings gibt es keine einfache Lösung. Es gäbe die Möglichkeit, den Stickstoff im Waldboden mit dem Verteilen von Kalk zu neutralisieren – was aber logistisch kaum realisierbar ist. «Es ist nicht so einfach wie damals beim Waldsterben, als man einfach den Katalysator einführte und das einen Rieseneinfluss hatte», so Schoch. Für ein multifaktorielles Problem brauche es multifaktorielle Lösungen. Diese müssten an der Quelle der Emissionen ansetzen, wie Hopf gestern betonte. Also vor allem die Landwirtschaft soll weniger Stickstoff in der Luft verteilen.
Thema an den Waldtagen im September
Wald beider Basel startet jetzt eine Sensibilisierungskampagne. «Wir wollen den Dialog mit den Bauern suchen», sagt Schoch – auch wenn er sich bewusst ist, dass das nicht einfach wird. So ist noch unklar, wie gut die Landwirte die nächstes Jahr schweizweit in Kraft tretende Pflicht akzeptieren, Gülle nur noch mit Schleppschläuchen möglichst nahe am Boden zu verteilen.
Wald beider Basel will zusätzlich der parlamentarischen Gruppe Wald von Landrat und Grossem Rat vor Ort die Folgen des Stickstoffeintrags zeigen. Und nicht zuletzt ist Stickstoff ein Thema der öffentlichen Waldtage im kommenden September in Brislach.
Quelle: Basellandschaftliche Zeitung (04.07.2023)